Pauli Nafer

Pauli Nafer

Nafer (sie/ihr) ist eine vielseitige Tänzerin und Choreografin. Ihre Arbeit umfasst Bühnenproduktionen, Begegnungsformate, akademische Programme und wissenschaftliche Forschung.

Ausbildung

Ihre universitäre Ausbildung begann am Centro de Danza Espiral in Santiago de Chile unter der Leitung des renommierten Choreografen Patricio Bunster. Dort spezialisierte sie sich auf eine lokale Interpretation der Jooss-Leeder-Methode – einer Strömung der deutschen Tanzmoderne –, die im Chile der 1980er-Jahre spezifische ästhetische Merkmale entwickelte, geprägt von den politischen und sozialen Dynamiken des Landes. Dabei beschäftigte sie sich intensiv mit Musik- und Bewegungsanalyse, kritischer Tanzgeschichte und Körperanthropologie.

Später vertiefte sie an der Universidad de las Américas ihre Kenntnisse in choreografischen Strukturen des Postmodern Dance unter Carmen Beuchat, insbesondere in Raumgeometrie und Komposition durch akkumulative Variationen. Im Rahmen zahlreicher Weiterbildungen wurde sie am Centro de Investigación en Artes Escénicas Teatro La Memoria über zwei Jahre hinweg in somatischen Techniken wie Klein- und Release-Technik bei Francisca Sazié ausgebildet. 2022 initiierte sie gemeinsam mit dem Tänzer Tamim ein langfristiges Projekt zur Rekonstruktion, Bewahrung und Revitalisierung kollektiver und zeremonieller Tanzpraktiken in NRW, darunter Dabke, Sema und Sufi-Tanoura.

Die Verbindung von Tanztechniken mit kulturellen Kontexten prägt ihre Arbeit maßgeblich. Sie versteht Tanz als ein Medium zur Reflexion und Bearbeitung kollektiver Erinnerung und Imagination. Darüber hinaus setzt sie sich mit den politischen und sinnlichen Dimensionen von Tanzräumen, der Gestaltung anti- und semi-institutioneller Kooperationen sowie mit einer singulären Haltung der Undiszipliniertheit auseinander.

Bühnenerfahrung

In Chile arbeitete sie mit Choreograf:innen wie Tania Rojas Benvenuto, Carla Redlich und Joaquín Leal Luco zusammen. In Deutschland kooperierte sie u.a. mit Romy Schmidt, Christina Schelhas und Max Bilitza.  Ihre Solo-Arbeiten wie Biométrica, Making a Gaze, Samen-im-Samen und § Die Paragraphin wurden an renommierten Spielstätten in Chile und Deutschland präsentiert, darunter das Centro Cultural La Moneda, Matucana100, das LWL-Museum für Archäologie und Kultur in Herne sowie der Ringlokschuppen Ruhr. Als Teil der Freien Szene war sie an einer Vielzahl von Projekten und Kollektiven beteiligt, darunter „Compañía Tentempié“, „Circo Teatro Norte“, „NervenZellen“, „ART.62“ und „[mostly] harmless“. Ihre Choreografien wurden außerdem bei angesehenen Festivals gezeigt, wie der EXTRASCHICHT auf der Zeche Ewald (2015) und dem Festival NEW NOW (2023).

Kuratorische und kulturvermittelnde Arbeit

Neben ihrer Bühnenarbeit ist Nafer auch als Kuratorin und Kulturvermittlerin aktiv. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung von Bildungsprogrammen und Begegnungsformaten, die Transkulturalität, Interdisziplinarität und Kooperation fördern.

Zu ihren kuratorischen Projekten zählen musik- und musikwissenschaftliche Buchpublikationen wie El Real Book Chileno (2012) und HOLOJAZZ. Ensayos para una radiofonía crítica (2024). Darüber hinaus kuratierte sie Ausstellungen wie Ruhr gLokal. Literaturen von hier und anderswo (Schaubüdchen, 2022, gemeinsam mit Nooshin Seifi) und Bruch und Spektralität (Galerie Gublia, 2023).

Nafer gestaltet Formate wie die Plattform Internationale Bibliothek Ruhr, die lateinamerikanische und westasiatische Autorinnen und Autoren miteinander vernetzt, und übernahm 2024 die Co-Leitung des Stadtensembles ENSEMBLE_X in Witten.

Im Bereich Festivalmanagement war sie unter anderem für das Festival Jazz a la Vega (2012), CHILEVOX (2011) und aktuell arbeitet sie an der Umsetzung des neuen Festivals MIGRANTENNALE, die 2025 im Kulturforum Witten gemeinsam mit Gabriel Carneiro und Bianca Mendonça realisiert wird.

Auch im Bereich dramaturgischer und kuratorischer Begleitung ist sie aktiv: 2023 unterstützte begleitete sie das HUNDERTPRO Festival, sowie die Mülheimer Ausgabe des „Markts für freies Wissen und Nicht-Wissen“, ein Format, das Wissensvermittlung als performativen Akt inszeniert.

Management und Lehre

Nafer übernahm zentrale Führungsrollen im akademischen Bereich, darunter die Leitung der Tanzabteilung der Kunsthochschule ISUCH an der Universidad de Chile (2019–2020) und des Bereichs Tanz, Theater und Musicals an der Musikhochschule Projazz (2011–2012). Ihre Aufgaben umfassten die Entwicklung und Evaluierung von Studienplänen, das Management von Akkreditierungsprozessen sowie das Design von Curricula, die akademischen und künstlerischen Standards entsprachen.

Als Dozentin unterrichtete sie Tanztechniken an Einrichtungen wie der Universidad ARCIS, dem New Modern Dance Center und der Tanzwerkstatt Ulla Weltike. Darüber hinaus leitete sie Workshops bei Werkstadt PACT Zollverein, dem Tanzhaus NRW und dem Jungen Schauspielhaus Bochum.

Wissenschaftliche Arbeiten und Publikationen

Ihre wissenschaftlichen Arbeiten wurden in internationalen Fachzeitschriften zur Tanzforschung veröffentlicht, darunter in der Revista A.DNZ (Universidad de Chile), der Revista Artes da Cena (Universidade Federal de Goiás, Brasilien) und in den Jornadas de Investigación des Instituto de Artes del Espectáculo (Universidad de Buenos Aires, Argentinien). Ihre methodische und theoretische Arbeit vertieft sie im Masterstudium der Szenischen Forschung am Institut für Theaterwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum. Zusätzlich veröffentlicht Nafer regelmäßig Beiträge zu kunsthistorischen, kulturpolitischen und theaterwissenschaftlichen Themen auf ihrem Blog @tanz_kritik.

Aktuell

Nafer ist an verschiedenen Produktionen performativ beteiligt, leitet Tanz- und Theatergruppen, unterstützt szenische Projekte dramaturgisch, übernimmt Auftragsarbeiten und berät Kultureinrichtungen aus antirassistischer und dekolonialer Perspektive. Als Mitglied des WHY NOT? Kollektivs und von DESLOCAR prägt sie die freie Szene mit innovativen Ansätzen. Nafer ist Stipendiatin der Kunststiftung NRW und von ecce.

Anhang 3: Aufträge als Tänzerin-Choreografin, Performerin, Dramaturgin